WN-Reihe „Mein Name ist…“

Die „Westfälischen Nachrichten“ berichten in ihrer Reihe „Mein Name ist…“ vom Schicksal Zugewanderter aus Senden.

Der erste Artikel aus dieser Reihe erschien am Samstag, den 14.07.2018.

WN-Reihe: „Mein Name ist…“

Katholik fürchtete um sein Leben

-Angela Weiper- Senden – „In Senden fühle ich mich zu Hause“, sagt Michael Obeng. Sein Herz aber sei nach wie vor in Ghana, ergänzt der 28-Jährige, der 2011 aus seiner westafrikanischen Heimat fliehen musste. Seit drei Jahren lebt Obeng in Senden. Und seitdem hat der gläubige Katholik zahlreiche Freunde und Bekannte gefunden.

Die neue Heimat und die neuen Freunde lassen ihn sein Schicksal zwar besser ertragen, aber vergessen kann er das Erlebte nicht. Obeng floh, weil er in seinem Heimatort Berekum um sein Leben fürchten musste. Er soll Schuld am Tod seiner muslimischen Freundin tragen, wirft ihm die Familie des Mädchens vor, die darauf gedrungen hatte, dass sich das Paar trennt. Michael Obeng fand die Freundin eines Tages tot in seinem Zimmer auf. Aus Furcht vor der einflussreichen Familie ergriff er die Flucht. Eine Flucht, die vier lange Jahre dauerte. Es ist eine Zeit, von der der junge Mann, der als Maurer arbeitete, seltsam unberührt spricht.

Mit Hilfe von Schleppern gelangte er von Ghana nach Libyen, wo ihm ein Mann in Tripolis Unterschlupf in seinem Haus gewährte. 2013 legte ihm sein Wohltäter nahe, zu gehen. Wegen des Kriegs in Libyen war es dem Mann zu gefährlich geworden, weiter Obhut zu geben.

Versteckt unter der Plane eines Lkw wurde Obeng an die Küste gebracht, wo Boote warteten – bereit, um Flüchtlinge übers Mittelmeer nach Europa zu bringen. Er wollte das alles nicht, wollte in Libyen bleiben. Ein Zurück indes gab es nicht: „Sonst hätten mich die Soldaten am Strand erschossen“, schildert Obeng.

Vier Tage hat die Überfahrt in einem Schlauchboot gedauert. „152 Menschen waren an Bord. Es gab kaum etwas zu essen und zu trinken“, berichtet der 28-Jährige von einer Tortur auf unruhiger See: „Ich habe Angst gehabt.“ Angst, dass das Boot untergeht.

Schließlich landeten sie in Catania in Sizilien an und für Obeng begann ein zweijähriger Aufenthalt in einem Flüchtlingscamp. Er erinnert sich an viele Streitigkeiten und eine eher schlechte Versorgungslage – „zu viele Menschen auf zu wenig Raum“.

Der Afrikaner gab sein letztes Geld und ergatterte im Januar 2015 ein Busticket nach Frankfurt und von dort nach Senden.

An dieser Stelle hätte es endlich mal gut werden können für den Flüchtling aus Ghana. Stattdessen erkrankt er lebensbedrohlich und kommt in die Uniklinik nach Münster. Lange Zeit steht es schlecht um ihn. Doch der Patient hatte Glück und wurde wieder gesund. Es geht ihm endlich gut in der neuen Heimat.

Ob er für immer in Deutschland bleiben darf, weiß er noch nicht. Weil er kein anerkannter Asylberechtigter ist, droht ihm die Abschiebung. Doch die ist für drei Jahre ausgesetzt. Weil er so krank ist, dass eine Rückkehr nach Ghana aufgrund der schlechten medizinischen Versorgung nicht möglich ist.

Nach Ablauf dieser Frist wird neu über seinen Asylantrag entschieden. In seiner neuen Heimat, der neuen Kultur und der für ihn völlig fremden Sprache Deutsch findet sich Obeng nur allmählich zurecht. Unterstützt wird er dabei von Sigrid Schallenberg, die ehrenamtlich bei der Flüchtlingshilfe Senden arbeitet.

Und Wünsche für die Zukunft hat der junge Mann selbstverständlich auch: Eine feste Arbeit hat er inzwischen, jetzt fehlt ihm noch eine kleine Wohnung zum Glück. Sein besonderer Herzenswunsch aber ist der: „Ich möchte irgendwann meine Familie wiedersehen.“

In Senden leben etwa 500 Flüchtlinge aus vielen Ländern der Erde. Manche schon seit vielen Jahren, viele von ihnen sind erst 2015 angekommen. Mit der Reihe „Mein Name ist“ wollen die WN einigen von ihnen in lockerer Folge ein Gesicht geben und ihre Geschichte erzählen. Von Erlebtem, von der neuen Heimat und von Erwartungen an die Zukunft.


Angela Weiper

Quelle
Verlag
: Westfälische Nachrichten
Publikation
: Lüdinghausen – Senden
Ausgabe
: Nr.161
Datum
: Samstag, den 14. Juli 2018
Seite
: Nr.22